Tunesien
Ein Land zwischen Orient und Okzident
Es bewegt sich zwischen seiner orientalisch dominierten Vergangenheit, der nach dem Westen orientierten Politik Habib Bourgibas, dem ersten Präsidenten des unabhängigen Tunesien und seiner Vision eines modernen Staates, in dem jeder seinen Platz hat.
Das Land, dessen Verfassung jener Frankreichs zugrunde liegt, hat die Devise: Freiheit, Ordnung, Gerechtigkeit. In seiner Flagge sind Halbmond und Stern vereint – im Islam glücksbringende Zeichen.
Der erste Artikel der Verfassung lautet: Tunesien ist ein freier, unabhängiger und souveräner Staat: seine Religion ist der Islam; seine Sprache Arabisch und sein Regime das einer Republik.
Im Norden ist das Land gebirgig, dort schneit es sogar manchmal
Im Zentrum eine trockene und heiße Ebene
Der Süden ist ein steppiges Gebiet, das in die Nordausläufer der Sahara übergeht
10 Millionen Einwohner, 25% davon unter 15 Jahren, zwei mal so groß wie Österreich. Seine natürlichen Ressourcen sind Erdöl und Erdgas, Phosphat, Eisenerz. Davon abgesehen, konzentriert sich die wirtschaftliche Aktivität des Landes auf den Norden.
Arbeit finden die Tunesier auch in der Landwirtschaft (Oliven Zitrusfrüchte, Gemüse, Zuckerrüben, Datteln und Mandeln), der Viehzucht – Tunesien exportiert Milch, der Textilindustrie sowie im Dienstleistungssektor (6,7 Millionen Touristen im Jahr 2006).
Das Wirtschaftswachstum liegt bei 6,5% pro Jahr (die Prognose für Österreich um 2%), vielleicht auch deshalb, weil 90% der Exporte auf das ausgerichtet sind, was man anderswo benötigt! Und das bezieht sich besonders auf Frühobst und Gemüse. Mann will Marokko ausstechen im Rennen um die ersten Erdbeeren, die ersten Marillen für den europäischen Markt. In Kasserine, mitten in einer äußerst unfruchtbar anmutenden Gegend, finden derzeit Versuche statt, Melonen zum Reifen „vor der Zeit“ zu bringen. Cap Bon im Nordwesten, die fruchtbarste Gegend des Landes, hat u.a. Weinberge
Seit dem Jahr 2000 findet ein Aufforstungsprogramm für Olivenbäume statt. Ziel: 2 Millionen/Jahr. Olivenbäume zur Festigung des Erdreiches, zum Schutz der darunterliegenden Gemüsegärten, zur Beibehaltung des Grundwasserspiegels. Und die Tunesier lieben ihre Olivenhaine – 60% des Olivenöls wird exportiert.
Diese Verbindung aus wirtschaftlichem Liberalismus und Intervention des Staates macht aus dem Land des Jasmin ein sehr fortschrittliches.
Absolute Schulpflicht besteht von 6 – 16 Jahren und die Alphabetisierungsrate liegt bei 98%. Jedes Gouvernorat (und es gibt 9 davon) hat mindestens eine Universität, jedes Dorf mindestens eine Volksschule. Ausbildung ist eine absolute Priorität und steht Mädchen genauso zur Verfügung wie den Buben.
Der Militärdienst dauert 1 Jahr, ab 20.
Stipendien stehen allen offen, vorausgesetzt die Kandidaten sind gut. Daran geknüpft ist – sollte ein Student mehr als 30 km von zuhause studieren – die Möglichkeit, in einer Garconniere unterzukommen – die wiederum an den Studienerfolg gebunden ist und jedes Jahr neu, unter Vorlage von Prüfungserfolgen, beantragt werden muß. Unter den Absolventen von Hochschulen ist jedoch die Arbeitslosenrate besonders hoch, da das Land derzeit noch nicht mit ihrer Ausbildung entsprechenden Posten aufwarten kann.
Wie auch überhaupt, wiederum dank des ersten Präsidenten der Republik, Frauen ihren Platz in der Gesellschaft haben.
Artikel 6 der Verfassung: „Alle Staatsbürger haben die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten. Sie sind gleich vor dem Gesetz“.
· Tunesien war das erste arabische Land, in dem Frauen wahlberechtigt waren
· 30% der Abgeordneten sind Frauen
· Frauen können in ihrer Ehe über ihr Vermögen verfügen
· Familienplanung „planen“,
· eine Scheidung einreichen
· gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz protestieren.
· Es gibt fast keine verschleierten Frauen, eventuell das Kopftuch, womit es sich offensichtlich hat, denn die Dekolletés sind freizügig, die Jeans eng anliegend und die Stiefel allerhöchst-hackig.
Die medizinische Ausbildung ist, an einem befriedigenden Sozialversicherungs-system wird derzeit gearbeitet.
Auf Grund vorhandener Infrastrukturen, einer lern-, arbeits- und fortbildungswilligen, flexiblen Bevölkerung hat Tunesien keine Schwierigkeiten, Investoren zu finden.
· Derzeit baut man mit Hilfe japanischer Firmen nördlich von Sousse den größten Flughafen Afrikas,
· gleich nebenan soll ein Industriegebiet entstehen, das in 5 Jahren 10.000 Menschen Arbeit geben wird.
· Dubai investiert, nahe dem Zentrum der Hauptstadt, in ein riesiges „Klein-Dubai“, wo auf 850 ha ein internationales Geschäftszentrum, ein Yachthafen und diverse Vergnügungsmöglichkeiten geschaffen werden. So nebenbei entstehen dort auch Wohnhäuser.
Europa kann da nicht mehr mithalten – seine Projekte nehmen sich klein aus: BENETTON vergrößert seine Fabrik bei Monastir, RENAULT baut ein Werk, PIRELLI stellt in der Nähe von Sousse in Lizenz Reifen her.
Wohnbau ist ein wichtiges Anliegen – die Regierung ermutigt Privatpersonen, darin zu investieren (wie auch in den Bau von Studentenheimen) – und übernimmt sie dann. Kredite sind günstig, der Bedarf auch, die Bautätigkeit ist daher enorm!
Am Land, wo das alles nicht so einfach ist, baut man selbst mit kleinen Bautrupps, die zusammenarbeiten, auseinandergehen, sich weiter- und umbilden, weil man vielleicht zu viele Maurer, aber nicht genug Installateure hat. 5 Jahre hat man nach Ausstellung einer Baugenehmigung Zeit, das Werk auch wirklich anzugehen. Danach (zuzüglich eines allerletzten 6. Jahres) muß das Haus stehen und bewohnbar sein. Daher sieht man im Land immer wieder halbfertige Häuser oder Häuser, die aufgestockt werden. Jedes Haus wird mit einem Flachdach abgeschlossen, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, darauf bauen zu können, um ihnen somit administrative Hürden zu ersparen.
Und immer wieder kommt man an Villen vorbei, in den Dörfern oder Städten selbst aber auch am Land, im Nichts, vor einer Müllhalde, neben einer Bauruine, ohne Aussicht. Strahlend weiß mit blauen Toren und Fensterläden, von hohen Mauern umgeben – in sich geschlossen.
Die stehen auf einem Grund, den man geerbt hat, den man billig gekauft hat, also baut man und wenn möglich schön. Denn nichts ist wichtiger, als Herr seines Hauses zu sein. Nicht den steigenden Mieten und auch nicht zu nahe wohnenden Nachbarn ausgeliefert zu sein, keinen Garten zu haben.
Das Durchschnittsgehalt ist das Äquivalent von 350 Euros (kaufkraftmäßig entspricht das 1200 Euros) – damit kann eine Familie leben. Wenn zwei arbeiten, kann man die Raten eines Wohnkredits zurückzahlen und einigermaßen leben. Bestenfalls jedoch mit einem Moped.
· Nahrungsmittel insgesamt sind billig, Alkohol hingegen verboten teuer.
· Man arbeitet 39 Stunden/Woche, Sonntag ist Feiertag, pro Jahr gibt es 26 Urlaubstage.
· Kinderbeihilfe gibt es nur bis zum dritten Kind. Auch damit konnte die Geburtenrate gesenkt werden.
· Es gibt keine Arbeitslosenhilfe (14% der aktiven Bevölkerung fällt darunter)
· Gleichstellung der Geschlechter verpflichtet: Der Pensionsantritt sowohl für Männer als auch für Frauen liegt bei 60 Jahren.
92% der Bevölkerung hat einen Wasseranschluß
98% einen Stromanschluß.
Die Wasser- bzw. Energiewerke verlegen Leitungen und Rohre entlang einer Straße. Dort sind die Zähler angebracht und von dort muß der Häuselbauer selbst aktiv werden.
Telefonanschlüsse gibt es kaum – Mobiltelephonie machts möglich. Und Relais für das Fernsehen (sowohl staatlich als auch privat) sind auch vorhanden.
In jedem Dorf gibt es eine Telefonzelle und am Postamt den Internetanschluß.
Und einen Bankomaten!
Bis 2011 müssen alle Steuererklärungen per Internet abgegeben werden. Die Inskriptionsprozeduren an den Universitäten sind schon heute papierlos, das ist zwingend vorgeschrieben.
Im 4-Jahresplan 2007-2011 haben alternative Energien einen großen Platz. Tunesien kann mit seinen Erdölreserven nur 40% seines Bedarfs decken – es könnte viel mehr sein, wenn es nicht nur eine einzige Raffinerie gäbe, Bizerte im Norden an der Küste, die hoffnungslos überlastet ist.
Auch da stehen die Golfstaaten in Bereitschaft – nördlich von Sfax, im Osten, entsteht mit deren Hilfe eine Raffinerie und ein Ölhafen
Dazu habe ich in Erfahrung gebracht:
· Glühbirnen müssen durch energiearme ersetzt werden – die habe ich in zwei Hotels gesehen
· auf den Dächern vieler (neuer) Häuser ist der Tank für Warmwasser + die Solarplatten.
· In den windigen Gebieten des Norden stehen die ersten Windparks.
· Öffentliche Institutionen aber auch Hotels und Restaurants werden angehalten, Energiebilanzen zu erstellen – anhand von Vorgaben - deren Einhaltung kontrolliert werden. Wieviel Kopierpapier, wieviel Klopapier, der Wasserverbrauch und dessen Wiederaufbereitung (für Schwimmbecken und Nutzwasser)
· es gibt fast keine Prospekte, man verteilt jedoch bereitwillig www-Adressen
Die ersten Mülltrennungsversuche in Haushalten sind erfolgversprechend. Wiederaufbereitung (3 Fabriken für Plastik stehen zwischen Sousse und Monastir), ist ein weiterers wichtiges Anliegen
Das erdölkonsumierende Plastik wird von der Bevölkerung gegen Geld eingesammelt und daraus Fäden gesponnen, aus denen Fliesjacken entstehen („Das Material für jede dieser Jacken, die ein Europäer trägt, kommt aus Tunesien“).
Sogar in größeren Dörfern „Boulevards der Umwelt“, „Umweltgärten“. Es soll das Wort „Umwelt“ in die Köpfe eindringen, man soll sich Fragen stellen und letztendlich mittun, wenn es darum geht, ein Stück Umwelt zu schaffen, zu erhalten, zu betreuen.
Der Luftverschmutzung (z.B. in Gabès, wo es riesige Zementwerke gibt) versucht man durch Baumpflanzungen, also grüne Lungen, Herr zu werden.
150 DT/Jahr Verschmutzungssteuer für Dieselfahrzeuge
Die Autobahn ist mautpflichtig.
Überall entlang der Straßen gibt es Bäume, hauptsächlich Eukalyptus (4 Blätter davon in die Schuhe und die verlieren ihren „Geruch“)
Vor jedem Dorf, in jeder Stadt, immer wieder Schwellen zur Verminderung der Geschwindigkeit „Geschwindigkeit = Gefahr“ (und führt zu erhöhtem Benzinverbrauch, der die Handelsbilanz belastet)
Dem Ertrag aus der Landwirtschaft (erwirtschaftet von der Hälfte der Bevölkerung) und der Industrie steht der übermächtige Markt der Dienstleistungen gegenüber (60% der Einnahmen). Es sind dies Telefonzentralen, Banken, Tourismus.
Letzterer bemüht sich, von der Vorstellung des Billigtourismus, der reinen Badeaufenthalte wegzukommen.
· Riesige Hotelkomplexe im Inneren des Landes
· Konzentration auf den Gesundheitstourismus und die sportlichen Adern von Urlaubsuchenden (Im Süden des Landes, in Tozeur, gibt es den ersten Golfplatz der Sahara!) sollen dabei helfen.
Auch das ist im 4-Jahresplan enthalten, vor allem hochwertige Anlagen.
Und nun genug der Zahlen, der wirtschaftlichen Angaben, der Trockenheit. Das Angeführte habe ich gehört, darüber im Internet recherchiert, es Zeitungen entnommen. Sollte es doch etwas geben, was Ihnen nicht richtig erscheint – bitte ich um Nachsicht!
Und nun zur Geschichte des Landes des Jasmin. Warum gerade Jasmin?
Man ist überzeugt davon, daß Jasmin Glück und Frieden bringt und daher zumindestens ein Jasminstrauch in einem Hausgarten zu stehen hat.
Heute macht man Geld damit. Jasmin ist ein wichtiger Bestandteil der Parfumerzeugung. Ihn in Plantagen zu ziehen ist schwierig, also „mieten“ Pflückerinnen Jasminsträuche und pflücken bei Tagesanbruch die Blüten, die in eigenen Kühlwägen gelagert und umgehend nach Frankreich transportiert werden.
Ob wohl die Prinzessin Elissa, phönizischen Ursprungs – die bei den Römern Didon genannt wird, auch schon Jasmin im Haar trug? Sie war es, die der Sage nach Carthago gegründet hat. Um dem Zorn ihres Bruders Pygmalion zu entgegen, floh sie aus Tyr (das phönizische Reich stimmt in seiner Größe ziemlich genau mit der Größe des heutigen Libanon überein). In der Nähe des heutigen Tunis ging sie an Land.
Man versprach ihr Land in der Größe einer Kuhhaut. Also ließ sie eine Haut in feine Streifen zerschneiden, das ergab viel Land, das man ihr dann auch zugestand. Dort entstand zuerst ein Handelskontor der Phönizier: Qart Haddath – die neue Stadt, das neue Lager. Und daraus wurde die unermeßlich reiche Stadt Karthago. Häuser mit 6 Stockwerken, 100.000 Einwohner, Zwischenlager für alle Reichtümer der damals bekannten Welt (das Gründungsdatum von Karthago ist 814 v.JC). Unter anderem auch Gold und Elfenbein aus dem Sudan (Timbuktu!!) Wann immer Vornehmes, Ausgefallenes, Neues gewünscht wurde, es genügte, sich an die Phönizier zu wenden, was sogar deren Neider und Rivalen, die Griechen und Römer, taten.
Carthago dehnte seinen Einfluß auf die Balearen, Sizilien und Sardinien aus. Wurde von den Griechen aufgehalten, drehte dem Meer den Rücken und erschloß das Landesinnere. Sizilien blieb aber ein Streitpunkt. Und so konnte das alles auf die Dauer nicht gut gehen, denn auch Rom hatte ein Auge auf Sizilien geworfen
Resultat:
· Der 1. Punische Krieg. Fazit: Carthago zieht sich aus Sizilien zurück.
· Der 2. Punische Krieg – Hannibal tritt auf, trotzdem geht weiter bergab; Rom herrscht nun in Spanien, im östlichen Mittelmeer.
· Der 3. Punische Krieg (149 – 146 v.JC) war dann der tödliche Schlag und das Ende Carthagos „Delenda est Carthago“ – „Carthago muß zerstört werden“.
· 10 Tage lang massakrierten die Römer alles, was sich bewegte, die Stadt wurde geplündert und schließlich brannte sie 17 Tage lang. Sie vermengten das Erdreich mit Salz um sicherzugehen, daß nichts mehr wachsen würde.
Cäsar hatte einen Traum – Carthago sollte wieder aufgebaut werden. Was auch im 1. und 2. Jhdt. n.JC geschah – es ersteht aus seinen Trümmern und wird Hauptstadt des römischen Afrika, im Hinterland die Kornkammer des Römischen Reiches.
Aber auch da beweisheitet sich wieder, dass der eine nicht in Frieden leben kann, wenn es der andere nicht will. Denn eines Tages steht der Vandalenkönig Geiserich vor den Toren der Stadt (439 n.JC) und macht sie zur seiner Hauptstadt. Und dann geht es Schlag auf Schlag. 100 Jahre später kommen Byzantiner, weitere 100 Jahre später beginnt sich der Islam auszubreiten, Kairouan wird gegründet – es liegt an der Pilgerstraße nach Mekka, wird zur heiligen Stadt, was es heute auch noch ist, nach Mekka, Medina Und Jerusalem.
Nun mischen auch die Berber mit, mit keinem großen Erfolg. Im 12. Jdht. wirft Roger von Sizilien ein begehrliches Auge auf das Land. Dabei sollte es bleiben, denn ein Kalif, der im rechten Moment am rechten Platz war, verweist ihn des Landes und macht die Stadt Tunis zum Sitz des Gouverneurs der Afrikanischen Provinz. Das ganze Land nahm den Namen der Stadt an – es ist die Geburtsstunde Tunesiens.
Der europäische Einfluß beginnt, sich bemerkbar zu machen. Man handelt miteinander, man tauscht Informationen aus. Die Saharavölker blühen und gedeihen dank des lukrativen Handels mit Gold, Elfenbein und Sklaven aus dem Sudan (Timbuktu!!)
Ende des 13. Jhdt. stirbt Louis IX. vor den Toren von Tunis an der Pest – bevor er auf dem Heimweg vom 9. Kreuzzug noch den Sultan von Tunis zum Christentum bekehren konnte.
Die Straße von Sizilien (das nur 140 km von der tunesischen Küste entfernt ist) wird zum Zankapfel zwischen den Spaniern und den Ottomanen. Mit Hilfe Karls des Fünften (1535) übernehmen die Hafsiden!! (ein bedeutendes arabisches Geschlecht)
Tunis. Das paßt türkischen Piraten nicht, sie ziehen ihrerseits 1569 in Tunis ein. 4 Jahre später besetzt Don Juan d’Austria die Stadt und ein Jahr drauf kommen die Türken – um zu bleiben. Bis 1881 Frankreich, das ja bereits in Algerien installiert war, befindet, daß Tunesien eine gute Partie ist und sie sich einverleibt, in Form eines Protektorats.
Die Wehrmacht eilte 1942 den in die Bredouille geratenen Italienern zu Hilfe – das Afrikakorps schlug sich ein Jahr lang zuerst erfolgreich gegen unausgerüstete unvorbereitete Amerikaner, dann gegen die Briten (die Angst hatten, dass die Amerikaner auf Grund ihrer Inkompetenz womöglich die Invasion zum Scheitern bringen könnten) und schließlich mit immer weniger Erfolg (kein Nachschub) auch gegen die lange zaudernden Franzosen. Im April 1944 war alles vorbei, das Afrikakorps ergab sich.
1956 wird das Land unabhängig
Ouff!!
Von den Phöniziern ist in Karthago so gut wie nichts erhalten – in Kerkouan im Norden, am Cap Bon, sieht man noch an den ausgegrabenen Grundmauern, wie dieses Handelskontor ausgesehen haben könnte. Berühmt ist es für die Badewannen.
Römer haben sowohl an der Küste im Norden (die ich noch nicht kenne) als auch im Landesinneren gelebt.
El Djem ist dafür ein wunderbares Beispiel. Heute noch kann man dort ein riesiges Amphitheater für 36.000 Zuschauer bewundern, das zu Beginn unserer Zeitrechnung gebaut, aber nie fertiggestellt wurde. Es erscheint am Horizont, als erstünde es aus dem Nichts.
El Djem, das römische Thysdrus, war Mittelpunkt der Kornkammer des Römischen Reiches. Dort wurden auch die ersten Olivenbäume gepflanzt. Vom Reichtum der Stadt zeugt heute noch die Villa Africa, Wohnstatt eines einflussreichen Mannes. Als man 1990 einen Parkplatz bauen wollte und dafür die Bagger auffuhren, stieß man zufällig darauf. Seitdem wird dort mit viel Erfolg gebuddelt – die wunderschönen Mosaiken im danebenliegenden Museum zeugen davon.
Im Landesinneren liegt Sufetula, das heutige Sbeitla. Nichts ist rundum und nicht viel ist von der Stadt bekannt. Einst im Rang einer Römischen Kolonie (mit immerhin 10.000 Einwohnern) ließ sich dort später ein byzantinischer Patriarch nieder, befestigte die Stadt gegen die Ungläubigen – nicht gut genug, denn die Stadt wurde (647) von den Arabern geplündert.
Mahdia an der Ostküste ist ein weiterer Zeuge byzantinischer Anwesenheit. Ein riesiges Fort über einer Meeresbucht. Das wars aber auch schon.
Denn diese Stadt hat die Fackel des Islam von Kairouan im Landesinneren übernommen – bis sie diese an Kairo weitergeben musste.
Mahdia hat sich getröstet, es wurde eine Hochburg der Piraten und davon ließ sich ganz gut leben. Heute ist es ein bedeutender Fischereihafen und hat einige Hollywoodkulissen-ähnliche Hotelanlagen.
Außerdem ist es das Zentrum der Seidenweberei und berühmt für seine Hochzeitsgewänder, die von absoluter Notwendigkeit, aber inzwischen so unerschwinglich geworden sind, dass man sie für die 7 Tage, die eine Hochzeit dauert, mietet.
Kairouan ist berühmt
· für seine Moschee – die Große genannt. Das heißt nicht unbedingt etwas, denn in jeder Stadt heißt die älteste Moschee die Große, auch wenn sie mit christlichem Auge nicht zu erkennen ist. Der Hof ist riesengroß, die Kolonaden sehen wie Kreuzgänge in einem Kloster aus, das Innere ist nur zu erahnen.
·
Seinen Marabout (die Grabstätte),
die des „Barbiers des Propheten“. Mitstreiter des Propheten, befanden sich in
seinem Besitz drei Haare des Propheten. Und die werden heute noch verehrt,
umgeben von bunten Kacheln, unbeschreiblich schönen Stuckdecken, vergoldeten
Paravents, geschmiedeten Gittern, kostbaren Teppichen (so zumindestens sahen
diese aus).
Und wenn man wieder hinausgeht, wird man (gegen einen Obulus) mit Rosenwasser
besprengt, des Glücks wegen, das man hatte, dort gewesen zu sein.
· Und die Wasserbecken, in denen man seit dem 9. Jhdt. Wasser speichert und nach genau festgelegten Regeln verteilt.
·
Aber auch für seine Teppiche, die
es gewebt und geknüpft gibt, deren Fäden mit natürlichen Farben gefärbt sind
und hauptsächlich in Heimarbeit gefertigt werden. Olivenzweige, Jasminblüten,
Lebensbäume und Paradiesbrunnen sieht man darauf. Jede Familie hat ihre eigenen
Motive. Geknüpft wird „aus dem Kopf“, es gibt keine Mustervorlagen.
Um das Teppichgeschäft zu sichern, werden sie, wenn sie fertig sind, einer
offiziellen Kommission vorgelegt, die sie einstuft in Qualitätsgruppen, Maße,
Knoten per m2 und das, zusammen mit dem Code des Herstellers auf einem Schild
festhält, das am Teppich angenäht und außerdem mit einer Plombe versehen wird.
Und dann kann man sich, bei Pfefferminztee, im Handeln üben. Und zahlen kann
man mit allem, mit einem Scheck, einer Kreditkarte, in bar, per Überweisung.
Auch Gewicht und Unhandlichkeit sind kein Thema, denn Teppiche kann man ja
verschicken.
Die Städte des Südens, dort, wo die Berge in die Wüste übergeben, wirken durch ihre Ursprünglichkeit. Tozeur, Douz liegen am Rande riesiger Oasen bzw. Palmenhaine.
Zur Erinnerung: Eine Oase hat einen natürlichen Brunnen, ein Palmenhain hat einen gegrabenen, gebohrten.
In diesen Oasen/Palmenhainen gedeiht alles, allen voran die Dattelpalmen – 100 Sorten Datteln gibt es, die zwischen November und März geerntet werden. Darunter die Obstbäume und am Boden die Gemüsegärten. Und alles wird immer noch nach einem, im 12. Jhdt. von DEM Wasserarchitekten erstellten Plan bewässert. 4 x 15 Minuten pro Woche und pro Hektar. Am Wasserrad sitzt ein Beamter, der alles kontrolliert.
Um die Wüste auf ihrem Zug in den Norden aufzuhalten, pflanzt man lebende Zäune, Tamarisken oder verankert Flechtwerk an strategischen Stellen – manchmal entlang der Straße, manchmal quer zu ihr. Das verlangsamt ihren Gang, macht nichts, sie hat Zeit!
Auch Olivenbäume halten her als Bollwerk. Hier unten werde sie viel enger gesetzt als im Norden. Im Norden pflanzt man unter ihnen Gemüsegärten. Im Süden jedoch muß dafür gesorgt werden, dass das Erdreich zwischen den Bäumen nicht austrocknet – immerhin hat es im Sommer an die 45 Grad – wie auch schon in Kairouan.
Mancherorts kommt das Wasser so heiß aus dem Boden, dass es abgekühlt werden muß, um in den Oasen verwendet werden zu können.
Dann gibt es noch die Bergoasen, in denen sich kleine Flüsse durch die Steinschichten gegraben haben, die im Winter viel Wasser führen und auch im Sommer nicht austrocknen. Nur über Pisten zu erreichen – aber es gibt Parabolantennen und auch die Mobiltelefone funktionieren. Und wie überall gibt es sogar dort öffentliche Toiletten!
Und wieder zurück in den Norden, durch den Schott El Djerid – einem riesigen Salzsee (siehe dazu den großen blauen Fleck auf der Karte auf der ersten Seite) der im Sommer ganz weiß wird. Und den man bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nur mit einem Führer zu durchqueren wagte. Heute ist man auf einer schnurgeraden Straße in kurzer Zeit durch – auf halbem Weg gibt es sogar eine „Raststation“.
Vorbei an Matmata, das in einer Mondlandschaft liegt – hügelig, tot, ein stumpfes Grün wechselt ab mit einem kraftlosen Ocker. Dort gibt es trogloditische Dörfer – die Menschen haben sich der starken Sonne und der feindlichen Umgebung wegen in die Berge eingegraben, gleich den Maulwürfen. Wenn sich die Familie vergrößerte, wurde wieder ein Stück weiter gebohrt. Unten die Wohnräume, oben die Nahrungsreserven und nur ein Eingang. Habib Bourguiba hat diese Wohnstätten systematisch zerstören lassen – sie seien nicht menschenwürdig.
Und dann Gabès, am Ende einer strategisch wichtigen Straße, die aus dem Landesinneren kommt – die der Pilger und der Eroberer aber auch die der Sklaven, die von Gabès aus in den Orient verschifft wurden. Diese Vergangenheit zeigt sich auch an den Menschen, die in der Gegend zum Teil rabenschwarz sind. Auch Gabès war ein Handelskontor Carthagos.
Heute ist Gabès eine wichtige Hafenstadt, über die das Phosphat aus dem Landesinneren exportiert wird. Touristen ist der Gewürzmarkt – wahrscheinlich ein Abklatsch dessen, was das einmal gewesen sein muß – in Erinnerung. Safran und Weihrauch und Amber und Paprika, dazwischen Wolldecken und Geschirr aus China..
Weit oben, im Norden des Landes Tunis, die Hauptstadt, die eine einzige Baustelle zu sein scheint. Der große Boulevard Habib Bourguiba ist eine Nachahmung der Champs Elysées. Und sonst?
Es scheint, dass man nach Tunis des Musée Bardo wegen kommt. Der ehemalige Palast des Bey, von dem Alexandre Dumas meinte, dass es ein Palast aus 1001 Nacht sei. Riesig, unpraktisch, nach dem Sturz des Beys dem Verfall preisgegeben, wurde er restauriert und beherbergt nun alles, was Tunesien an antiken Schätzen zu bieten hat, vor allem die Mosaike. Wunderschön präsentiert, übersichtlich die Volkskundeabteilung, liebevoll arrangiert die Salons von dazumal und was sie so an Schätzen beherbergten. Somit gehört das Museum zu den schönsten der Welt.
Ganz in der Nähe ein Dorf, das man gesehen haben muß – Sidi Bou Said. Einst ein verschlafenes Fischerdorf an der Steilküste, mit geweißelten Häusern und blauen Türen, wurde es in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von deutschen Malern entdeckt, unter ihnen Macke, Klee – die sich dort eine Zeitlang niederließen. Heute treten sich die Touristen gegenseitig auf die Füße, das Café des Nattes (das Café der Matten), über eine hohe Stiege zu erreichen, ist fast nicht zu fotografieren, so viele Leute stehen dort herum. Hinter dem Dorf, wo kaum jemand hinkommt, der französische Soldatenfriedhof. Ob es wohl noch Fischer gibt? Oder sich die Einwohner wie Statisten vor der Kulisse ihres Dorfes fühlen?
Tunesier versuchen, ihre Ware anzubringen, aber sie laufen den Geschäften nicht nach. Sie bestehen nicht auf einem Geschäft. Sie sind begnadete Händler, haben Argumente, auf die wir Europäer im Leben nicht kommen würden und bereiten auf diese Weise den Boden für ihre Geschäfte auf. Alle sprechen Französisch und, bedingt durch die ausländischen Investitionen im Land, auch schon Englisch. Es ist ein schöner Menschenschlag, von ganz hell über Melange-Café bis ebenholzfarben.
Überall bekommt man alles. Nicht schlimm, wenn man in Nabeul, in der Nähe von Hammamet, keine Zeit mehr hatte, um sich eine Keramik zu kaufen, die bekommt man in Monastir auch. Und die Gewürze, immer gleich schön für die Touristen verpackt, sieht man auch dann und wann.
Wo sollte man noch gewesen sein? Was bleibt für eine weitere Reise übrig – Tataouine ganz im Süden, früher eine französische Strafkolonie „Folg oder ich schick Dich nach Tataouine“ sagt man noch heute den Kindern. Heute ein Museumdorf. Ganz in den Norden, Bizerte, Tabarka – Orte, an denen sich die Römer niedergelassen haben.
Und wieder der Besuch eines Gemüsemarktes – ein Rausch von Gemüse (derzeit sind es Fenchelknollen – die man übrigens, in Olivenöl getränkt, zum Aperitif trinkt), von Karotten über rote Rüben, Salat, Kartoffeln, Datteln und vor allem Orangen – der Anbau von Thomson, weniger säuerlich als die Maltaises und daher eher dem europäischen Geschmack entsprechend, wird subventioniert.
Und all dies findet sich in der Küche wieder. Erstaunlich, dass das Volk bei dieser Vitaminzufuhr und den Kalorienbomben, die Datteln darstellen (6 Deglet Nour entsprechen, kalorienmäßig gesehen, einem Abendessen!) im Durchschnitt nicht älter als 74 wird. Die pickig süßen Nachspeisen, viele davon auf Basis von Grieß … Und das alles wunderschön präsentiert. Nur Männer verkaufen und nur Männer gehen auf den Markt einkaufen. Im Prinzip. Wenn keiner vorhanden ist, gehen auch Frauen.
Sollten Sie sich bis hierher durchgekämpft haben, freut es mich. Es war schön, mit Ihnen als Publikum meine Erinnerungen an Tunesien wiederbelebt zu haben.
Irgendwohin werde ich schon wieder fahren – und seis drum, dass ich Ihnen dann darüber berichten Kann.
Mit herzlichen Grüßen und vielem Dank für Ihr Interesse – à bientôt (bis bald!)
Angelika Harsant
aharsant@aon.at (für Wünsche, Anregungen und Beschwerden)